Leitnerberg aus dem Obernbergtal

„Sanfte Grasberge zwischen Gschnitz und Obernberg.“ (Klier, Rother Wanderführer Stubai – Wipptal)

 

Obernbergtal

Es haftet dem Tal, vielmehr seinen Häusern oder sind es seine Bewohner etwas Morbides an. Am letzten Freitag ist immer Müll. Erst nach der Aufhebung des Schneekettenschildes hinter Vinaders beginnt das Tal. Das Tal weitet sich da. Verstreut die Weiler, Gehöfte. Der Schnee ist schon meist zur Einfahrt geschoben, oft bröckeln ein paar Fresken auf  den Wänden, als ob mit Grau beschleiert. Die Fensterläden mehr als selten geschlossen. Das fällt auf und führt gleich zum Urteil. Etwas morbide. Die letzten beiden Lifte haben Sie uns auch genommen. Die Einkehr am Magnet für die, die meist am Wochenende kommen, steht schon seit Jahren leer. Wegen Betriebsauflösung geschlossen. Streitigkeiten Besitzer – Gemeinde. Refugies sollen da rein. Am See. So was ganz Modernes. Also so in Erdhöhlen. Kennen Sie die? Refugies. Im Sommer ist der See auch schön. Und sehr beliebt.

Es riecht wieder nach Eintopf im Haus, während der braun-weiße Kater von nebenan wie jeden Tag auf die Kissen der Sitzbänke im Vorhaus uriniert. Aber wir können eh nichts ändern, nicht wahr? Wir können eh nichts ändern. Die Urkunde. Fünfundzwanzig Jahre Ehrenmitglied im Musikverein Obernbergtal. Fünfzig Jahre Ehrenmitglied im Musikverein Obernbergtal. Und dann plötzlich weg. Die Tochter ein Tal weiter. Wir können eh nichts ändern, nicht wahr. Allein. Das Haus. Der Wind. Ach so oft wie in diesem Jahr selten. Wir müssens nehmen, wie es kommt. Wir können eh nichts ändern. Ja. Dem Schicksal voll ergeben.

Am Nachmittag, manchmal zwei, manchmal drei Uhr, wirft ein Erwachsener den Dorflift an. Zehn Kinder, kleine Zwerge. Nur Ski, kein Board. Einer versucht den anderen beim Weitsprung über die kleinen Schanzen zu übertreffen. Es  scheint, als ob alle im Tal diese ein, zwei Stunden am Tag den kurzen Hang anstarren. Und sinnieren. Manchmal läuft der Lift auch nicht. Dann tollen keine Zwerge. Dann kommt es mit einem Mal noch ruhiger, aber niemand sinniert.

Am Wochenende da kommen sie immer. Der Parkplatz übervoll. Zehn Skitouren auf fünf Kilometern. Das lockt. Selten muss man spuren. Und die Aufregung am Morgen kann noch so laut und zeitig schlagen, der Erste wirst du nie sein.

Es gibt keinen Dorfkern, keinen erkennbaren. Meistfotografiertes Motiv in Tirol. Da ist die Kirche mit den über tausend Meter höheren Tribulaunen dahinter. Nicht von Drei. Von Dresch-Tafel! Die bedrohlichste Wand, die das Tal ummauert. Die Lärchen kirchdachhoch ummauern die Kirche schon. Es stört keinen. Oder es gibt keinen mehr, der eine Säge bedienen kann. Ein gläubiges Tal. Man will hier nicht meistfotografiertes Motiv Tirols sein. Als ich den Namen auf der Karte las, kam es mir vor, als ob ich mich an etwas erinnern würde. Und das Kränkeln des Tals, eigentlich seiner Bewohner, ist mir sein Erblühen. Das bedeutet mir viel. Ein Bus fährt mehrmals täglich aus und ein ins Tal. Meist ist er leer.